Die Post im Rheingau
200 Jahre Post in Eltville und Rüdesheim
Am 1. Oktober 1801 eröffnete die Thurn und Taxissche Post Expeditionen in den beiden Rheingauer Verwaltungszentren. Dies deshalb, weil das Kaiserliche Reichspostamt in Mainz, von dem aus die Post in den Rheingau gebracht worden war, seine Funktion hatte einstellen müssen. Die napoleonischen Truppen hatten nämlich 1798 Mainz besetzt und das linksrheinische Gebiet in die Republik Frankreich integriert. Bei der Neuorganisation des Postwesens im Rheingau setzte Thurn und Taxis deshalb auf die bestehenden Amtskellereien in Eltville für den oberen und Rüdesheim für den unteren Rheingau.
Zuvor war die Post – und das waren vor allem Schriftstücke der Verwaltung, private Korrespondenz wurde gegen Gebühr nur in geringerem Umfang befördert – von Mainz aus durch Amtsboten zweimal wöchentlich mit der Fähre von Budenheim nach Niederwalluf und von hier aus nach Eltville transportiert. Die Post an die Amtskellerei Rüdesheim wurde mit dem Nachen von Bingen aus übergesetzt. Allerdings spricht vieles dafür, dass Frachtstücke schon seit 1784 an auch auf dem Landweg auf der Rheingauer Seite befördert wurden. Denn in diesem Jahr teilte die kurmainzische Regierung der Amtskellerei Rüdesheim mit, dass der Mainzer Bürger und Lohnkutscher Dalmüller die Genehmigung zum Anlegen eines Diligence-Kurses nach Rüdesheim erhalten habe. Diese Diligence, eine schnelle Kutsche, verkehrte in den ersten Jahren nur im Winter, später täglich und bildete auch für den Personenverkehr die erste öffentliche Einrichtung. Die ersten Postexpeditoren – in Rüdesheim hießen sie Postverwalter - waren offensichtlich Bedienstete der jeweiligen Amtskellerei. Denn weder für Jacob Kugelmann in Eltville noch für seinen Kollegen Carl Philipp Schmidt in Rüdesheim sind jemals Bestallungsurkunden gefunden worden. Es liegt deshalb auf der Hand, dass die Postexpeditionen zunächst auch ihren Sitz in den Amtskellereien hatten. In Eltville war das die Kurfürstliche Burg, in Rüdesheim das heutige Gebäude des Rüdesheimer Schlosses in der Drosselgasse. Doch so recht glücklich ist die Post mit ihren Expeditoren nicht geworden. 1814 musste Kugelmann sein Amt abgeben, weil er seine Einnahmen nicht richtig mit Thurn und Taxis abgerechnet hatte. Zu seinem Nachfolger wurde der aus Löwen stammende Apotheker Joseph de l’Haye bestimmt.
Noch ärgerlicher gestaltete sich die Ablösung von Schmidt in Rüdesheim. Eine Untersuchung 1829 ergab, dass der Postverwalter ein Paket von der in Lorch wohnenden Mutter des sächsischen Premierleutnants von Hausen, das nach Zwickau gehen sollte, unterschlagen hatte. Im Paket hatten sich 100 Taler befunden. Schmidt gestand, das Paket geöffnet und das Geld zu Zahlung für Rückstände an die Postkasse verwendet zu haben. Zudem erbrachte eine Nachprüfung der Postkasse ein Minus von fast 200 Gulden. Schmidt entschuldigte sein Vergehen damit, er und seine Familie hätten in bitterer Armut gelebt. In seinem Amt war der Postverwalter damit nicht mehr tragbar, aber die nassauische Landesregierung verzichtete darauf, dass der Mann neben seiner Dienstenthebung auch noch strafrechtlich verfolgt wurde. Nachfolger Schmidts als Postverwalter wurde sein Sohn Wilhelm. Auch der bekam 1834 Probleme mit dem Thurn und Taxisschen Oberpostamt in Regensburg, weil er „seit zwei Jahren“ mit den monatlichen Zahlungen in Rückstand geraten war. Schmidt gelobte Besserung und hat seinen Dienst wohl auch anschließend vorbildlich geführt. Zwar verschwand in seiner Amtszeit 1859 eine Geldsendung in Höhe von 2 000 Gulden. Schmidt konnte zwar nachweisen, dass ihn dabei keine Schuld treffe, war aber dennoch zum Ersatz eines Viertels dieses Betrags verpflichtet. Nach der Übernahme der Thurn und Taxisschen Post durch die Preußen wurde der Rüdesheimer Postverwalter in allen Ehren in den Ruhestand verabschiedet. Wesentlich turbulenter ging es in Eltville zu. Nach dem Tod des Expeditors de l’Haye übernahm dessen Amt seine Ehefrau Petronella, die jedoch verpflichtet wurde, einen männlichen Gehilfen einzustellen. Sie wählt ihren Schwiegersohn, den Apothekenprovisor Philipp Simon aus. Doch der musste sein Amt schnell wieder abgeben. Er hatte eine Kundin seiner Apotheke erpresst, indem er ihr einen Geldbrief nicht eher aushändigen lassen wollte, ehe sie nicht ihre Schulden bei ihm beglichen hätte.
Nach dem Tod Petronella de l’Hayes kam Simon als Amtsnachfolger nicht infrage. Statt seiner wurde Josef Jakob Tropp aus Langenschwalbach ausgewählt. Doch der verschwand nach wenigen Monaten schon samt der Postkasse. Erst mit Nikolaus Faßbender , der 1849 sein Amt antrat, kehrte Ruhe in der Eltviller Post ein. Thurn und Taxis richtete seine Postexpeditionen jeweils in den Gebäuden seiner Bediensteten ein. So kommt es, dass „die Post“ mit dem Wechsel seiner Expeditoren immer wieder umzog. In Eltville residierte sie zur Amtszeit der Familie de l’Haye in der Rheingauer Straße 23, dem Sitz der damaligen Mohren-Apotheke. Später war sie längere Zeit gegenüber dem Bahnhof untergebracht, ehe sie 1889 ein paar Häuser weiter ins das Hotel Reisenbach umzog. Erst 1909 entstand das heute als Rathaus genutzte Gebäude in der Gutenbergstraße. Nach Auskunft des Rüdesheimer Stadtarchivars Rolf Göttert befand sich die Rüdesheimer Post im 19. Jahrhundert zunächst im Hotel Krone in der Rheinstraße, später im Hotel Rheinischer Hof, zog dann in den ehemaligen Frankfurter Hof in die Oberstraße um und war schließlich, als der Telefonverkehr aufgenommen wurde, im Hotel Engel, Ecke Rheinstraße/Drosselgasse. Erst 1907 kaufte die Reichspost die ehemalige Diltheysche Villa, die Anfang der 60er Jahre abgerissen und durch den von vielen Rüdesheimern kritisierten Neubau ersetzt wurde. © Klaus-Peter Dietel